Von der „Bachrumete“ zum „Bachfischet“

Die Verschmutzung und Versandung des offenen Bachbetts zwingt die Bürger seit dem Bau des Stadtbachs zu einer jährlichen Grossreinigung, welche während des „Bachabschlags“ (Sperren des Wassers beim Abschlag in Suhr) im trockenen Bachbett ausgeführt wird. Erst seit 2000 wird auf die totale Trockenlegung des Bachs aus Rücksicht auf die Flora und Fauna verzichtet. Diese Reinigung (oft auch „Bachrumete“ genannt) dauert in der Regel 4 Tage (Montag bis Donnerstag) und wird am 3. September 1526 erstmals im Aarauer Ratsprotokoll erwähnt.

Vorgängig darf der Bach ausgefischt werden, was den durchaus wörtlich zu nehmenden Begriff des „Bachfischets“ erklärt. Vor allem die Jugend hat jeweils ihren grossen Spass, wenngleich dabei lediglich ein paar Groppen als Beute winken. Die Groppe wird 1542 auf obrigkeitlichen Wunsch im Stadtbach ausgesetzt. Sie gilt heute als eine vom Aussterben bedrohte Tierart und ist im Stadtbach bereits ausgestorben.


„Bachfischet“ 1946

Der mehrtägige Bachabschlag stellt die Bürgerschaft vor grosse Herausforderungen, ist doch während mindestens 4 Tagen kein frisches Wasser erhältlich. Entsprechend muss für den Hausgebrauch und vor allem für den Feuerschutz ein entsprechender Wasservorrat angelegt werden: „…sehe man die Aarauer vor jedem Haus der Innen- und Aussenstadt eine Menge Gefässe möglicher und unmöglicher Gestalt mit Bachwasser füllen; und zwar nicht nur vor dem Haus, sondern auf dem Dachboden jedes Hauses müssen Wasserreservoirs in Form von Bütten, Kübeln, Zubern, Feuereimern angelegt werden“.

Am 13. September 1784 ereignet sich während des Bachabschlags eine Feuersbrunst und der Stadtbach muss notfallmässig vorzeitig geflutet werden. „Ein Bote war zu Pferd nach Suhr hinaus beordert worden, damit Wasser in die gefährdete Stadt gelassen werde.“ Acht Scheunen und ein Teil der Letzi zwischen Pelzgasse und südlicher Ringmauer brennen nieder. Ursache ist nicht wie anfänglich vermutet jugendlicher Übermut, sondern Brandstiftung. 11 Jahre später, kurz vor dem letzten Gang zum Hochgericht, gesteht der letzte in Aarau zum Tode verurteilte Täter seine damalige Untat.


Die Groppe

Der grosse Bedarf an Wassergefässen erklärt die Terminierung der „Bachrumete“ vor der Weinlese, der Bedarf der gesamten männlichen Bürgerschaft für die Reinigung des Bachbetts erklärt, weshalb diese Arbeiten nach der Erntezeit durchgeführt werden. 1532 wird der Termin des “Rumens“ erstmals definiert:
“Nach Sankt Verenen“ (1. September ist der Gedenktag der heiligen Verena).

Die Arbeiten werden als Gemeinwerk (Fronarbeit) ausgeführt, dafür haben alle Teilnehmer nach Abschluss der Arbeiten Anrecht auf einen Trunk im Rathaus (1556 Kosten: 33 Pfund, 4 Schilling, 4 Pfennig) und ab Beginn des 18. Jh. sogar auf zwei Mahlzeiten am Mittwoch und Donnerstag.


Stadtbachfischer am ersten Jugendfest in Suhr 1946

Diese Festivitäten nach dem „Rumen“ müssen im Laufe der Geschichte auch die Jugend ergriffen haben. Nach Walther Merz muss hier „der Ursprung des Bachfischets“ in der Form des Abholens der ersten Wellen des wieder geöffneten Stadtbachs durch die jubelnde, leuchtende Kürbisse oder Räben mitführende Aarauer Jugend liegen. Hermann Rauber sieht die Entstehung dieses Brauchs in der Tradition der Ausmärsche in der Berner Munizipalstadt im 16. Jh. begründet, ähnlich wie etwa der Maienzug (ursprünglich Auszug zum Zwecke des Ruten Schneidens). Der Bachfischet bleibt aber als Ausdruck seiner Referenzerweisung gegenüber dem Stadtbach und in seiner jährlich von neuem zum Ausdruck gelangenden Kreativität und dem einmaligen Effekt der leuchtenden Lampions in der eigens dafür verdunkelten Stadt ein spezifischer Aarauer Brauch, der seinesgleichen sonst nirgends findet. Er gilt heute als ältester dauernd gelebter Brauch in der Schweiz.

Bereits früh scheint der Nachgang zum Bachrumen öfter überbordet zu sein: Sauer aufgestossen ist den zahlenden Behörden der Umstand, dass pro Hauhalt plötzlich „Meyster und Knecht, Vatter und Sohn sich zum Zächen (Zechen) begeben haben.“

1630 ergeht der Auftrag an den Stubenmeister, auf den „Bachrumet“ hin Elsässer Wein zu kaufen, “so wolfeill alls sy khönnend“ (so billig wie möglich).


Bachfischet-Fenster
von Felix Hoffmann, städtisches Rathaus

1687 lautet die Rechnung für das “Bachfischet-Fest“: 189 Pfund,
14 Schillinge, 8 Pfennige.

1701 erfolgt die Anweisung zum Kauf von Tischtüchern und Zinngeschirr für den „Bachfischet“.

1840 wird im Protokoll des Stadtrats über übermässigen Lärm berichtet, woraus “das Verbot des Benutzens der Trommeln ausserhalb des Dienstes“ entsteht (in dieser Zeit Gefahr der Verwechslung mit Kriegsalarm, man fürchtet Freischarenangriffe; 1847, nach dem Sonderbundskrieg, wieder aufgehoben).

Gegen Ende des 19. Jh. scheint der Brauch des Bachfischets langsamen zu zerfallen. 1894 versucht der Aarauer Verschönerungsverein in einer einmaligen Aktion in Form eines Festzugs mit Volksfest den Bachfischet wieder zu beleben (Fischertänze, Festzug mit historischen Gruppen und Behörden).

1922 wird der Tiefpunkt erreicht, dem Bachfischet-Brauch droht das Aus! Paul Erismann: “Der Zug bestand zu dieser Zeit manchmal bloss aus einem Häuflein Kinder, dürftig mit billigen Papierlaternen ausgerüstet.“



Sonderfestzug des Bachfischets 1894
„Der Festzug, die Rathausgasse durchziehend“
Originalzeichnung von P. Schirmer (Müller & Cie. Aarau)

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